Für Inhaberaktionäre von Gesellschaften, deren Aktien nicht an der Börse kotiert sind, gelten ab 1. Januar 2016 neue Melde- und Registrierungsvorschriften. Für kleinere und mittlere Unternehmen, die Inhaberaktien ausgegeben haben, besteht dringender Handlungsbedarf, denn wer die neuen Vorschriften nicht befolgt muss mit dem Verlust der Aktionärsrechte rechnen.
Die Melde- und Registrierungsvorschriften wurden durch das Bundesgesetz zur Umsetzung der 2012 revidierten GAFI-Empfehlungen (GAFI-Umsetzungsgesetz) eingeführt, das vom Parlament am 12. Dezember 2014 beschlossen wurde. Einer der Kernpunkte der Vorlage war eine Verbesserung der Transparenz juristischer Personen. Der Bundesrat hat die entsprechenden Bestimmungen auf den 1. Juli 2015 in Kraft gesetzt; die Übergangsfrist für die Umsetzung läuft am 31. Dezember 2015 ab.
Aktionäre sind von den neuen Vorschriften wie folgt betroffen:
Die neuen Melde- und Registrierungsvorschriften gelten auch für bestehende Inhaberaktionäre, auch wenn sie ihre Titel schon vor vielen Jahren erworben haben (Art. 3 der Übergangsvorschriften zur Änderung des OR).
Eine Möglichkeit, die neuen Meldepflichten zu vermeiden, ist die Umwandlung der Inhaberaktien in Bucheffekten, denn nach Art. 697i Abs. 4 und Art. 697j Abs. 3 OR gelten die Meldepflichten nicht, wenn die Aktien als Bucheffekten ausgestaltet sind. Das bedeutet, dass die (physischen) Inhaberaktien bei einer Bank hinterlegt werden; die Aktien werden dann in ein Wertpapierdepot eingebucht. Verfügungen über die Aktien können dann nur noch durch Weisung an die Bank erfolgen, so dass nachvollzogen werden kann, wer Inhaberaktien erwirbt.
Das GAFI-Umsetzungsgesetz sagt allerdings alles andere als klar, unter welchen Voraussetzungen eine Berufung auf die Bucheffekten-Ausnahme möglich ist. Dass Gesetz sagt nur, dass die Gesellschaft die Verwahrungsstelle bezeichnet, bei der Aktien hinterlegt oder ins Hauptregister eingetragen werden; die Verwahrungsstelle muss in der Schweiz sein. Nach hier vertretener Auffassung kann jede Bank als Verwahrungsstelle bezeichnet werden, denn das Bucheffektengesetz geht klarweise davon aus, dass jeder der in Art. 4 Abs. 2 BEG genannten Finanzintermediäre Sammelbestände unterhalten und Bucheffekten schaffen kann. Voraussetzung ist allerdings, dass die Inhaberaktien zur Sammelverwahrung eingeliefert werden. Das setzt voraus, dass eine Mehrzahl von Inhaberaktien eingeliefert wird, mindestens aber zwei. Unklar ist auch, wer die Verwahrungsstelle in welcher Form bezeichnen muss. Am besten wird eine Bestimmung in die Statuten aufgenommen, nach der die Inhaberaktien bei einer schweizerischen Bank zur Sammelverwahrung hinterlegt werden können. Aber auch ein formeller Beschluss des Verwaltungsrats sollte ausreichend sein.
Die Nichteinhaltung der Meldepflichten werden mit einschneidenden Rechtsfolgen sanktioniert. Die Mitgliedschaftsrechte (wie z.B. das Stimmrecht oder das Recht auf Teilnahme an der Generalversammlung) ruhen, solange der Aktionär seinen Meldepflichten nicht nachgekommen ist. Auch Vermögensrechte (wie z.B. das Recht auf Dividende) kann der Aktionär erst geltend machen, wenn er seinen Meldepflichten nachgekommen ist. Bei verspäteter Meldung leben die Vermögensrechte zwar wieder auf; die bis dahin entstandenen Vermögensrechte sind jedoch verwirkt (Art. 697m OR).
Die Gesellschaften sind verpflichtet, je ein Verzeichnis der Inhaberaktionäre und der wirtschaftlich berechtigten Personen zu führen. Die Verantwortung dafür liegt beim Verwaltungsrat, der diese Aufgabe jedoch delegieren kann. Auf die entsprechenden Verzeichnisse muss in der Schweiz jederzeit zugegriffen werden können. Der Verwaltungsrat ha tauch sicherzustellen, dass keine Aktionäre ihre Rechte ausüben, wenn sie ihren Meldepflichten nicht nachgekommen sind. Kommt der Verwaltungsrat diesen Pflichten nicht nach, so kann diese zur Verantwortlichkeit nach Art. 754 OR führen. Bei SICAV-Gesellschaften droht bei vorsätzlich nicht korrekter Führung des Aktienbuchs sogar eine Busse von bis zu CHF 500’000 (Art. 149 Abs. 1 Bst. f KAG).
Es ist bereits heute absehbar, dass diese neuen Vorschriften bei kleineren und mittleren Unternehmen für grosse Schwierigkeiten sorgen werden. Nur wenige der betroffenen Gesellschaften haben sie bisher zur Kenntnis genommen, auch weil die Gewerbeverbände sich für das Thema als nicht zuständig erachten. Es wäre deshalb wohl besser gewesen, die Inhaberaktie ganz abzuschaffen. Wer neue eine Gesellschaft gründet, sollte jedenfalls sehr gute Gründe für die Ausgabe von Inhaberaktien haben, und bestehende Gesellschaften mit Inhaberaktien sollten sich die Umwandlung in Namensaktien gut überlegen.